Modul 1: Kluft – Unüberbrückbar?

Die Einwohner des 1948 gegründeten Staates Israel lehnen anfangs jedwede Beziehung zu Deutschland und den Deutschen ab. Hunderttausende von ihnen haben sich aus Deutschland und Europa ins britische Mandatsgebiet Palästina gerettet; unvorstellbar groß sind die erlittenen Schmerzen und Verluste, deren traumatische Folgen für die Überlebenden weder „bewältigt“ noch „wiedergutgemacht“ werden können. Der Beginn der offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ist begleitet von offener Ablehnung. Auch wenn die Überlebenden der Schoah immer weniger werden und immer mehr junge Israelis fasziniert sind von Deutschland, auch wenn die NS-Zeit für viele Deutsche bei der heutigen Einschätzung Israels vordergründig keine große Rolle mehr spielt: Die Vergangenheit ist allgegenwärtig in den deutsch-israelischen Beziehungen.

Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1965

Ende der 1950er Jahre steht Israel im Nahen Osten noch immer weitgehend isoliert da, Verbündete sind rar gesät. So keimt in israelischen Regierungskreisen der Wunsch auf, die internationalen Beziehungen außerhalb der arabischen Welt zu vertiefen – und sogar diplomatische Beziehungen mit dem „neuen Deutschland“, das seine „Wiedergutmachungs“-Verpflichtungen verlässlich erfüllt, aufzunehmen. Ministerpräsident David Ben-Gurion fordert die Bundesregierung erstmals 1957 auf, „normale diplomatische Beziehungen“ zu Israel aufzunehmen. Dies gestaltet sich schwierig, weil die arabischen Staaten drohen, bei einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel das gute Verhältnis zu Westdeutschland einzufrieren und die DDR völkerrechtlich anzuerkennen. Deshalb nehmen Bonn und Jerusalem zunächst geheime Verhandlungen über eine militärische Zusammenarbeit auf. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß und Staatssekretär Shimon Peres verabreden noch im gleichen Jahr erste Rüstungslieferungen („Panzer statt Diplomaten“).

Als sich Ben-Gurion und Adenauer 1960 in New York zum ersten Mal begegnen, widersetzt sich der deutsche Kanzler erneut dem israelischen Wunsch nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Jedoch treffen die beiden Politiker vertrauliche Absprachen über eine Verstetigung deutscher Waffenlieferungen im Wert von mehr als 200 Millionen DM; ebenso diskret stellt Adenauer eine zehnjährige Anleihe von jährlich 50 Millionen Dollar in Aussicht. Die Tatsache, dass sich die Bonner Regierung von den arabischen Staaten scheinbar erpressen lässt, will ein Teil der westdeutschen Öffentlichkeit nicht länger hinnehmen: Im Oktober 1964 startet der DGB eine Unterschriften-Kampagne für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Als kurz darauf die deutschen Waffenlieferungen von Journalisten aufgedeckt werden, empören sich auch andere zivilgesellschaftliche Initiativen über die ihrer Ansicht nach unwürdige Kompensation für die diplomatische Missachtung des jüdischen Staates.

Auch Ägyptens Staatspräsident Gamal Abdel Nasser reagiert auf die deutsche Militärhilfe für Israel und empfängt im Februar 1965 den DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einem Staatsbesuch. Spätestens jetzt ist der westdeutsche Alleinvertretungsanspruch nicht mehr haltbar – und der Weg für eine diplomatische „Normalisierung“ frei. Am 12.05.1965 vereinbaren Bundeskanzler Ludwig Erhard und Ministerpräsident Levi Eshkol den Austausch von Botschaftern. Zehn von dreizehn arabischen Staaten brechen vorübergehend ihre diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik ab, wagen es aber noch nicht, die DDR anzuerkennen.