Grußworte

Reinhold Robbe
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V.

Einzigartig statt normal

In diesem Jahr ist viel gesprochen und geschrieben worden über das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Wir blicken auf fünf Jahrzehnte offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten zurück. Natürlich stehen die wichtigen politischen Ereignisse dabei im Mittelpunkt und die großen Persönlichkeiten, die diese Ereignisse geprägt und befördert haben. Und auch alle anderen Aspekte spielen eine große Rolle in diesem Jubiläumsjahr: kulturelle, wirtschaftliche, wissenschaftliche, militärische Verbindungen bis hin zum Sport. Wenn man jedoch ganz nüchtern fragt, weshalb die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland heute als tatsächlich „einzigartig“ bezeichnet werden können und in vielfacher Hinsicht über ein „normales“ zwischenstaatliches Verhältnis hinausgehen, dann gibt es darauf eine einfache Antwort. Es sind Menschen aus beiden Staaten, die ein Netzwerk von Freundschaften über die Distanz und über sämtliche Grenzen hinweg entwickelt haben. Menschen aus allen Schichten der jeweiligen Bevölkerung. Jugendliche und Rentner. Arbeiter und Hochschullehrer. Religiöse und Nichtreligiöse. Ein Netzwerk so bunt und so vielfältig, wie die Gesellschaft selber. Und dieses Netzwerk ist heute stark und belastbar. Es hat Großartiges hervorgebracht. Kleine und große Initiativen, die dafür sorgten, dass Begegnungen nach dem Holocaust wieder möglich wurden.

Aber das wertvollste „Produkt“ dieses Netzwerkes ist die Freundschaft zwischen Deutschen und Israelis. Nur auf dieser Grundlage konnte beispielsweise die Deutsch-Israelische Gesellschaft – übrigens ein Jahr nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen – entstehen oder die vielen Vereine und Institutionen, die sich um Städtepartnerschaften kümmern. Hinter diesen Initiativen stehen jeweils Persönlichkeiten, bekannte und weniger bekannte Menschen, die eines gemeinsam haben: eine starke Triebfeder, die es möglich macht, diese grenzüberwindende Freundschaft zu entwickeln und zu kultivieren.

Für uns als Deutsch-Israelische Gesellschaft lag es dann auf der Hand, diesen Akteure aus der Mitte der Bevölkerung, mit ihrer beispielhaften Motivation und Energie für die deutsch-israelische Freundschaft, eine zentrale Rolle in der Ausstellung „Israelis und Deutsche.“ zu geben. Da steht Felix Burian, der erste VW-Händler in Tel Aviv, neben Marlene Dietrich, dem Weltstar. Und die ersten nach Haifa eingewanderten Überlebenden des Holocaust sind neben Bildern mit Demonstranten vor brennenden Barrikaden in den Straßen von Jerusalem zu sehen, als die diplomatischen Beziehungen besiegelt wurden.

Auch für mich, der ich mich seit einigen Jahrzehnten intensiv mit Israel und den wechselseitigen Beziehungen befasse, sind etliche der dargestellten Geschichten neu oder erscheinen in einem ganz neuen Licht, weil die Ausstellung bisher unbekannte Bilder oder Aussagen von Zeitzeugen präsentiert. Was mich jedoch am meisten anspricht und menschlich berührt, sind die Bilder von jungen Israelis und Deutschen, die stellvertretend für ihre Generation ihre ganz besonderen Erfahrungen mit dem jeweils anderen Land widerspiegeln.

Bei einem meiner letzten Besuche in Israel hatte ich wieder einmal Gelegenheit, mit Holocaust-Überlebenden zu sprechen. Am Ende dieser Begegnung nahm mich eine ältere Dame – schon weit in den Neunzigern – zur Seite und richtete den geradezu flehenden Appell an mich, alles daran zu setzen, junge Menschen für die Freundschaftsarbeit zwischen Israelis und Deutschen zu gewinnen. Wörtlich meinte sie: „Wir Alten werden bald nicht mehr sein, und dann kommt es auf unsere Kinder und Enkel an, die inzwischen so wunderbare Freundschaft auf die kommenden Generationen zu übertragen!“ Und an diesen Satz muss ich denken, wenn ich die jungen deutschen Freiwilligen in der Ausstellung abgelichtet sehe, die sich beispielsweise um behinderte Kinder in Haifa kümmern, oder die israelischen Jugendlichen, die ein Kulturprojekt in einer deutschen Stadt betreuen. Diese jungen Leute bilden die Basis für die Freundschaftsarbeit der nächsten 50 Jahre.

Ich bin der Kuratorin Alexandra Nocke und allen Mitwirkenden dieser Ausstellung unendlich dankbar für das Ergebnis ihrer Forschungen, Recherchen und Überlegungen. Ganz besonders danken wir diesem wunderbaren Team jedoch für das beispielhafte Engagement, mit dem sie dieses Projekt vorangetrieben haben. Die Ausstellung verdient eine große öffentliche Aufmerksamkeit und viele neugierige Besucher.

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Graffiti in Tel Aviv, 2015 © Alexandra Nocke

Dr. Alexandra Nocke
Kuratorin „Israelis & Deutsche: Die Ausstellung“

1989 bin ich zum ersten Mal einer Israelin begegnet. Ein Schüleraustausch zwischen meinem Gymnasium in Bonn und Talis Schule in Tel Aviv ermöglichte unser Treffen und unsere daraus entstandene, bis heute andauernde Freundschaft. 1991, kurz nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs, reiste ich dann zum ersten Mal selber nach Israel und kehrte voller Eindrücke und Fragen zurück nach Hause: Was hat das alles mit mir zu tun? Wie passen Vergangenheit und Gegenwart zusammen?

Fast 25 Jahre später, während derer ich viele Male nach Israel gereist bin und zeitweise dort gelebt habe, blicke ich zurück auf ein Kaleidoskop aus Begegnungen, Gesprächen, Kaffeehausbesuchen, akademischen Diskussionen sowie Archivbesuchen und Konferenzteilnahmen – und bin um einige Antworten reicher geworden. Manche Fragen stellen sich heute auch präziser. Unter anderem weitete sich durch die Auseinandersetzung mit Israel auch der Blick auf meine eigene Herkunft. Durch meine Begegnungen in Israel stellte ich mich in eine historische Abfolge und begriff mich erstmals auch als eine Enkelin der Kriegsteilnehmer, der Täter.

Über die zwischenmenschlichen Kontakte entstand ein immer differenzierteres Bild der deutsch-israelischen Beziehungen. Gleichzeitig wurde mir zunehmend klarer: Die beiden Länder und die Menschen, die in ihnen leben, bleiben miteinander verflochten, auch wenn sich ihre Beziehungen mit der Zeit verändern und neue Generationen heranwachsen.

Bei meinen Recherchen in Israel wurde ich auch mit den schmerzlichen deutsch-israelischen Gegensätzen einzelner Biografien konfrontiert – zugleich bin ich persönlich immer willkommen geheißen worden. Ich begriff über die Jahre: Israel setzt sich zusammen aus unzähligen, oftmals widersprüchlichen Geschichten, die alle erzählt werden wollen. Ich bin Reinhold Robbe und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft dankbar, dass ich als Kuratorin der Ausstellung „Israelis & Deutsche“
die Gelegenheit hatte, einige dieser Geschichten hörbar zu machen.
Dem Ausstellungsteam danke ich für unermüdlichen Einsatz, Kreativität, Ausdauer und Akribie bei der Umsetzung unserer gemeinsamen Ideen.

Die Wanderausstellung erzählt vor allem die vermeintlich kleinen Geschichten hinter der offiziellen Geschichtsschreibung. Die in der Ausstellung versammelten Momentaufnahmen aus Stimmen, Bildern, Texten und Eindrücken zeigen einzelne Teile eines Mosaiks, die sich erst in der Zusammenschau zu einem dichten Gesamtbild fügen. Es entstand ein persönliches und subjektives Bild, ja. Aber eines, das in seiner Komplexität auch den Anspruch hat, ein Teil des ganz großen Bildes zu sein.

Mein Fokus in diesem Wirrwarr von Stimmen ist das Gespräch, die Begegnung und der Austausch, in dem man sein Gegenüber spüren kann. Diese Teile zusammengenommen bereiten das Fundament, auf dem die deutsch-israelischen Beziehungen heute stabil stehen. Verständnis, Empathie, aber auch Brüche und Differenzen sind nur in der direkten Begegnung mit dem jeweils anderen erfahrbar.

In diesem Sinne wünsche ich allen Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung eine intensive Auseinandersetzung mit den Geschichten und denen, die Geschichte geschrieben haben.

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David Ben-Gurion und Konrad Adenauer beim Fototermin vor Ben-Gurions Landhaus im Kibbuz Sde Boker, 09.05.1966
© Micha Bar-Am / Magnum Photos

Dr. Frank-Walter Steinmeier
Bundesminister des Auswärtigen

50 Jahre ist es her, dass Israel und Deutschland diplomatische Beziehungen aufnahmen. Die Entscheidung dazu war alles andere als ein Routineakt. Überschattet von der allgegenwärtigen Erinnerung an die Shoa, war sie in Israel verständlicherweise hochumstritten.

Die Entwicklung, die unsere Beziehungen seit diesen Anfängen genommen haben, gleicht einem Wunder, denn heute verbindet uns eine Partnerschaft, deren Dichte und Tiefe vor fünf Jahrzehnten noch unvorstellbar schien. Viele Menschen haben mit Herzblut und Engagement den Prozess der Annäherung vorangetrieben. Ihnen ist es zu verdanken, dass das deutsch-israelische Verhältnis heute so eng und vertrauensvoll ist, wie es vor 50 Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte.

Wie reich unsere Partnerschaft an persönlichen Freundschaften, aber auch an Anknüpfungspunkten für neue Verbindungen ist, hat das Jubiläumsjahr 2015 eindrucksvoll gezeigt. Es hat mir zahlreiche persönliche Begegnungen geschenkt, für die ich zutiefst dankbar bin – stellvertretend für viele möchte ich den Geigenbauer Amnon Weinstein nennen, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, die Instrumente verfolgter und ermordeter Juden zu restaurieren. Seine „Violinen der Hoffnung“ erklangen bei einem sehr bewegenden Konzert zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in der Berliner Philharmonie. Mein anschließender Besuch in Amnon Weinsteins Atelier in Tel Aviv wird mir lange in Erinnerung bleiben. Mit dem Schriftsteller Meir Shalev und dem Filmregisseur Edgar Reitz führte ich als Teil einer deutsch-israelischen Lese- und Gesprächsreihe ein inspirierendes Gespräch darüber, was Heimat und Heimisch-Werden in unseren Ländern bedeuten. Ein weiterer Höhepunkt des Jubiläumsjahres war das Zusammentreffen mit dem israelischen Staatsoberhaupt Reuven Rivlin während seines Besuchs in Berlin. In seiner Biografie spiegelt sich beispielhaft die Entwicklung wider, die unsere Beziehungen seit ihren Anfängen durchlaufen haben: Als Student demonstrierte der heutige Staatspräsident noch gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel, heute ist er ein entschiedener Fürsprecher der deutsch-israelischen Freundschaft.

Die Ausstellung „Israelis und Deutsche“ beleuchtet die persönliche und zwischenmenschliche Ebene der deutsch-israelischen Beziehungen. Sie macht die Menschen und das individuelle Engagement hinter den historischen Entwicklungen sichtbar und bereichert damit unseren Blick auf die Beziehungen um eine ganz entscheidende Perspektive.

Ich wünsche der Ausstellung zahlreiche begeisterte Besucher und viel Erfolg auf ihrer Reise durch Deutschland und Israel.

Amtssitz des israelischen Präsidenten Salman Shasar, 19.08.1965. Empfang für den deutschen Botschafter Rolf Pauls, der seine Antrittsrede auf Deutsch hält, und danach der Außenministerin Golda Meir – in völliger Verkennung der Landessitten – einen Handkuss aufdrängt. © Government Press Office (GPO), Moshe Pridan

Amtssitz des israelischen Präsidenten Salman Shasar, 19.08.1965. Empfang für den deutschen Botschafter Rolf Pauls, der seine Antrittsrede auf Deutsch hält, und danach der Außenministerin Golda Meir – in völliger Verkennung der Landessitten – einen Handkuss aufdrängt.
© Government Press Office (GPO), Moshe Pridan

S.E. Yakov Hadas-Handelsman
Botschafter des Staates Israel

Dem Ausspruch „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ wohnt meiner Ansicht nach viel Wahrheit inne. In der Retrospektive der Entwicklung der israelisch-deutschen Beziehungen von 1965 bis heute gilt das ganz besonders. Fotografen waren Chronisten der schwierigen Jahre der Annäherung zwischen Deutschen und Juden, zwischen Deutschen und Israelis, nach der Shoah. Seit fünf Jahrzehnten dokumentieren Fotografen mit sich verändernder Technik – aus Schwarz-Weiß wurde Farbe, aus analog wurde digital, – die ständige Weiterentwicklung der Beziehungen, die sich im Wandel von Inhalt und Ausdruck ihrer Aufnahmen manifestiert. Betrachten wir zum Beispiel das Foto, das im Amtssitz des israelischen Präsidenten Zalman Shazar im August 1965 aufgenommen wurde. Beim Empfang anlässlich seiner Akkreditierung gibt der deutsche Botschafter Rolf Pauls der israelischen Außenministerin Golda Meir doch tatsächlich einen Handkuss. Schauen Sie in die Gesichter der Israelis! Golda Meirs Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte. Auch die anderen Anwesenden lassen keinerlei Freude oder Herzlichkeit erkennen, ihre Mienen sind scheinbar völlig ausdruckslos. Doch gerade diese Ausdruckslosigkeit ist so aussagekräftig. Der Betrachter sieht auf diesem Foto die historische Dimension, die Schwere und die Komplexität der Beziehungen.

Ich kann mich noch gut an die Fotos in den israelischen Zeitungen erinnern, die ich vor 50 Jahren als Kind sah, als Rolf Pauls bei seiner Ankunft in Israel mit Tomaten beworfen wurde, und die Menschen riefen: „Nazi go home!“ Damals konnte ich mir natürlich nicht vorstellen, dass ich eines Tages als Botschafter des Staates Israel den 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen ausgerechnet in Deutschland begehen würde. Und niemand konnte damals ahnen, dass sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern so positiv und dynamisch entwickeln würden. In der Ausstellung sind Fotos zu sehen, auf denen Menschen im Jahr 1965 in Jerusalem gegen die Beziehungen zu Deutschland protestieren. Auf ihren Schildern steht: „Sechs Millionen mal Nein!“ oder „Erinnern und nicht verzeihen.“ Auch die Gesichter der Menschen übermitteln eindeutige Botschaften von Schmerz und Trauer, Verunsicherung und Wut. Und so illustrieren die Fotos die immerwährende Gegenwart der schrecklichen Vergangenheit durch die Gesichtsausdrücke der Menschen. Die Bilder verdeutlichen auch ohne Worte, warum unsere Beziehungen einzigartig sind und es bleiben werden.

Eine persönliche Momentaufnahme von mir möchte ich der Ausstellung sozusagen verbal hinzufügen. Im Jahr 2014 war ich mit einer deutschen Delegation in Israel. Im Hotel in Tel Aviv wartete ich auf die Gruppe in der Lobby. Dort liefen jede Menge Israelis umher, Männer und Frauen, junge und alte, religiöse und säkulare. In der Mitte der Lobby stand eine Gruppe deutscher Soldaten in Uniform. Sie redeten laut auf Deutsch, lachten, riefen sich etwas zu. Außer mir schien jedoch niemand diese besondere Situation zu beachten. Dann wurde doch jemand aufmerksam und störte sich daran. Es war aber nicht etwa ein Israeli, sondern der deutsche Leiter meiner Delegation. Dieser Moment zeigt, wie vertrauensvoll unsere Beziehungen heute sind, dass aber auch aus deutscher Sicht die Einzigartigkeit sie weiterhin definiert.