Modul 2: Annäherungen

Beziehungen im Aufwind

Deutsch-israelische Beziehungen sind eng verknüpft mit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten, mit Tod und Verfolgung. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, erklärt Bundespräsident Joachim Gauck zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers im Januar 2015. Genauso wenig gibt es eine israelische Identität, die unberührt geblieben ist von den Auswirkungen der Schoah. Umso bemerkenswerter ist es, dass in der Gegenwart zwischen Deutschland und Israel ein dichtes Beziehungsgeflecht existiert, geprägt von Engagement und Lebendigkeit, vielfältigem Kulturaustausch und Dialog: Zwischenmenschliche Kontakte, Städtepartnerschaften, Jugendaustausch, Wissenschafts- und Wirtschaftskooperationen bilden das Fundament, auf dem die Beziehungen weiter wachsen.

„I think my look at Germany was black and white, but it changed to green. Everything was green there.“

 

Schüler- und Jugendaustausch & Freiwilligendienste

Seit 1955 haben annähernd 600.000 Jugendliche bei deutschisraelischen Schul- und Jugendaustauschprogrammen kulturelle Gemeinsamkeiten entdeckt: „(W)ir hören die gleiche Musik, haben die gleichen Hobbys und die selben Interessen wie die Israelis“, schreibt eine deutsche Teilnehmerin. Von der Bundesregierung finanziell gefördert, finden die Jugendbegegnungen in allen Sparten statt, sei es in der Musik, im Sport, in politisch engagierten Jugendverbänden oder unter Pfadfindern. Hinzu kommen Stipendien, Freiwilligendienste und der Schulaustausch, der über den Pädagogischen Austauschdienst (PAD) vom Auswärtigen Amt gefördert wird.

Einen ersten größeren Schub bringt die Berichterstattung über die Eichmann-Entführung im Jahr 1960. Mehrere Jugendgruppen, die durch einen Arbeitseinsatz den Aufbau Israels unterstützen wollen, melden sich bei der Israel-Mission in Köln. Ein Jahr später nimmt die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) ihre Arbeit auf, seitdem leisten jedes Jahr bis zu 25 ASF-Freiwillige einen Dienst in Israel. Für die israelische Seite sind offizielle Besuche von Jugendgruppen „auf deutschem Boden“ zu dieser Zeit zwar noch undenkbar, deutsche Jugendgruppen in Israel werden jedoch toleriert. Oft sind es gerade die ehemals durch die Nationalsozialisten verfolgten Menschen, die sich auf den Kontakt mit den jungen Deutschen einlassen.

Erst mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen wird der Austausch gegenseitig: Die Histadrut-Jugend ist zu Gast beim Deutschen Gewerkschaftsbund, und der Israelische Jugendring besucht den Deutschen Bundesjugendring. Die beiden Regierungen vereinbaren 1969 jährliche Austauschprogramme und gründen 1973 den „Gemischten Fachausschuss für den deutsch-israelischen Jugendaustausch“. 1986 gründet die DIG ein Jugendforum, das Bildungsveranstaltungen, Austauschprogramme und bilaterale Projekte durchführt, um junge Menschen für die deutsch-israelischen Beziehungen zu gewinnen. Auf Initiative des Bundespräsidenten Johannes Rau wird vereinbart, in beiden Ländern Koordinierungsbüros einzurichten – auf deutscher Seite nimmt das Koordinierungszentrum ConAct („Gemeinsam handeln“) seine Arbeit im Jahr 2001 auf, in Israel übernimmt das International Youth Exchange Council diese Aufgabe.

Etwa 10.000 Jugendliche nehmen jedes Jahr an den Austauschprogrammen teil, lediglich in Krisenzeiten gehen die Zahlen kurzfristig zurück. Viele Freundschaften, die im Rahmen dieser Projekte wachsen, bestehen über Jahre hinweg; die Teilnehmer finden „Freunde fürs Leben“.

Vardi Kahana, „Berliners in Jerusalem“, 2014

Vardi Kahana porträtiert AFS-Freiwillige bei ihrer Arbeit. Sie nennt diese Serie „Berliners in Jerusalem“ und stellt die beiden Städte symbolisch gegenüber, um zu zeigen, dass trotz des emotionalen historischen Gepäcks eine menschliche Verbindung zwischen den Nationen besteht.

 

Die 1959 in Tel Aviv geborene Künstlerin fotografiert seit ihrer frühen Jugend. Sie arbeitet als Fotojournalistin für verschiedene Magazine und Zeitungen. Vardi Kahana lebt in Tel Aviv. Bekannt wurde sie in Deutschland mit ihrer Fotoserie „Eine Familie“, in der sie ihre Mutter und deren beide Schwestern als Überlebende von Auschwitz mit ihren Nachkommen porträtiert.