Früher wurde Berlin „Spree-Athen“ genannt. Die Zeiten ändern sich: Jetzt wird schon von „Spree-Aviv“ geredet. Nicht etwa, weil sich das Wetter in der Hauptstadt gebessert hätte, sondern weil die Anzahl der Israelis in der Stadt seit der Jahrtausendwende sprunghaft angestiegen ist. Die Gründe der meist jungen Israelis für einen Neuanfang in Berlin sind vielfältig: günstigere Lebenshaltungs- und Studienkosten, der Wunsch, der Familiengeschichte in Europa nachzuspüren, eine ersehnte Auszeit von den gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen in Israel oder einfach Neugier. Politische Versprechen im Anschluss an Sozialproteste, die 2011 lautstark auf die immer größer werdende soziale Schere und unverhältnismäßig steigenden Lebenshaltungskosten in Israel aufmerksam machen, sind bis heute weitgehend nicht erfüllt worden. In Israel selbst wird die zunehmende Auswanderung gerade nach Deutschland kontrovers diskutiert – im sogenannten „Milky-Skandal“, in dem ein Schokopudding zum Symbol für kostengünstigeres Leben in Berlin wird, findet die öffentliche Debatte 2014 ihren vorläufigen Höhepunkt.
In Berlin entwickelt sich ein vielfältiges israelisches Stadtleben: Von Jahr zu Jahr eröffnen mehr israelische Restaurants und Cafés, Galerien und Kulturprojekte; es gibt eine hebräische Bibliothek und den deutsch-hebräischen Radiosender „Kol Berlin“. Parallel zum wachsenden Interesse an Berlin steigt auch die Neugier junger Deutscher auf Israel. Die jungen Menschen kommen zum Studieren, absolvieren Freiwilligendienste, besuchen Sprachkurse, machen Praktika, arbeiten in einem der vielen Start-up-Unternehmen oder in einer der politischen, oftmals auch „israelkritischen“ Organisationen. Was Israelis in Deutschland und Deutsche in Israel gemeinsam haben: Die Wahlheimat ist für sie kein Land wie jedes andere.